Zeitungsartikel Freies Wort 09.03.2006


09.03.2006

Soundtuner sorgen in ihren Autos für unterhaltungselektronische Highlights – und bei anderen mitunter für Kopfschütteln

Musik ist ihr Hobby, der Klang ihr Freund



VON SEBASTIAN HAAK (23)


„Wir wollen Musik hören. Und zwar so, dass es auch laut noch gut und sauber klingt!“, sagt Sven Koch. Er ist ein bekennender „Dezibel-Junkie“. Gemeinsam mit ein paar Freunden hat er sogar einen Club gegründet, die „Suhler dB-Junkies“.

Gemeinsam mit Daniel Grambs und André Martin sitzt er im Hinterzimmer eines HiFi-Ladens in Suhl-Dietzhausen. Vor gut zehn Jahren entdeckten sie ihre Leidenschaft für Radios und Lautsprecher. Unabhängig voneinander begannen sie, ihre Soundsysteme aufzumotzen. In Dietzhausen trafen sie sich immer wieder, aus dem gemeinsamen Hobby entwickelten sich Freundschaften. Ihr Club hat heute zehn klangbegeisterte Mitglieder beiderlei Geschlechts.

Sie sind zwischen 18 und 30 Jahre alt, ihr erklärtes Ziel ist „die Verbesserung der Klangqualität“ in ihren Fahrzeugen. Dennoch steht „laut“ praktisch schon im Namen ihrer Truppe: „dB“ ist die Abkürzung für die physikalische Einheit des Schalldrucks. Vereinfacht könnte man sagen, dass der sich zumeist als Lautstärke bemerkbar macht.

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Hoher Anspruch

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Das Hobby „Soundtuning“ ist den jungen Leuten lieb und teuer. Doch über Geld will in der Runde niemand so richtig reden. Auch technische Details wie die maximale Leistung ihrer Anlagen sind nicht ihr Thema. Zu oft haben sie erlebt, dass sie als lautstärkegeile Lärmbelästiger missverstanden wurden. Immer wieder kommen sie auf die gleichen Punkte zurück. Ihnen kommt es darauf an, klar zu machen, dass die Soundqualität und eben nicht allein die Lautstärke das entscheidende Kriterium für sie ist. André erklärt: „Tatsächlich sind in unseren Autos nicht nur Subwoofer für die Bässe, sondern auch gute Mittel- und Hochtöner verbaut.“ So sollen möglichst alle Frequenzen in brillianter Qualität wiedergegeben werden können.

Ungezählte Arbeitsstunden und viel Geld haben sie aufgewandt, um ihrem selbst gesetzten Anspruch möglichst nahe zu kommen: „Ein ordentliches Soundsystem kann schon mal ein paar tausend Euro kosten“, weiß Daniel. Die Soundfreaks sprechen deshalb von ihren Autos oft sehr liebevoll, denn für sie sind es „Klangwunder auf vier Rädern“. Gebetsmühlenartig betont Daniel immer wieder: „Ganz wichtig ist, dass wir hier nicht versuchen, möglichst laut zu sein!“

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Sucht ohne Droge

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Dass die Lautstärke dennoch gelegentlich auch in den Fahrzeugen der „dB-Junkies“ über das gewöhnliche Niveau hinausgeht, ist für sie nicht ungewöhnlich.

In Andrés Sportwagen überschritt sie bei Wettbewerben schon einmal die Schmerzgrenze. Die liegt bei etwa 120 Dezibel, in Andrés Wagen wurden damals über 140 Dezibel gemessen.

Nicht nur sein Sportwagen zeigt auch bei ausgeschaltetem Motor Leistung. Auf der Hutablage von Daniels Corsa steht ein langhaariger Kobold. Wenn Daniel sein Radio, die Endstufe und den Subwoofer einschaltet, stehen dem Geschöpf bei jedem tiefen Ton die Haare zu Berge – der Kobold ist eine Anzeige für die gewaltige Leistung der Soundanlage, die sich im Kofferraum des Kleinwagens befindet.

Musik ist ihr Hobby, der Klang ihr Freund. Aber trotzdem gibt es immer wieder Menschen, die kein Verständnis für das Sound-
tuning aufbringen.

Für einen Laien scheint es oft nicht nachvollziehbar, weshalb Kofferräume mit riesigen Subwoofern zugebaut, warum mehrere hundert Euro teure Radios in Armaturenbretter von Kleinwagen versenkt oder dutzende Kilo Kabel und Dämmungen durch die Gegend gefahren werden.

Aber das ist den „dB-Junkies“ eigentlich nicht sonderlich wichtig. Ihre Sicht ist eine andere: Es sei eben ihr Hobby und „vielleicht auch eine Sucht“, sagen sie, aber das sei doch immer noch besser als das Geld in Zigaretten, Drogen oder Alkohol zu investieren“, sind sich Sven, André und Daniel einig. Wer das nicht verstehen könne, müsse das eben auch nicht tun.

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Grenzen erkennen

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„Jeder muss ganz alleine für sich entscheiden, wie viel Klang und Lautstärke er in seinem Auto haben möchte“, ist Daniel überzeugt. „Die Geschmäcker sind eben verschieden“, bekennt Sven. Und André sagt: „Jeder nach seinen Möglichkeiten!“

Immerhin kann man den drei „dB-Junkies“ nicht vorwerfen, dass sie nichts vom Wert des Geldes verstünden. Sie alle haben die Mittel für ihr Hobby selbst erarbeitet.

Und überhaupt: Laute Musik sei ja auch manchmal gar nicht schlecht. „Dann doch aber lieber im Auto, wo es niemanden stört, als vielleicht zu Hause im Plattenbau, wo ich dem Nachbarn auf die Nerven gehe“, meint Daniel, bevor André mit einem breiten Grinsen im Gesicht sagt: „Irgendwann dreht man im Auto von ganz alleine leise, wenn es zu laut wird. So gesehen sind ein paar Stunden in der Disco wohl wesentlich gefährlicher für die Ohren. Denn da kann ich nicht einfach leiser stellen.“ Dieser Einwurf gefällt Daniel, der gleich noch einen oben drauf setzt: „Ich war noch in keiner Diskothek, die einen so guten Klang hatte, wie unsere Autos.“ – Was Hals-Nasen-Ohren-Ärzte zu all diesen Thesen wohl sagen würden ...

 

Tolle Sache und gutes Interview!